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Wer in letzter Zeit im Dietenbach-Gelände unterwegs war, konnte von Ferne den Eindruck gewinnen, als sei ein übereifriger Bauherr bereits dabei, die ersten Baugruben ausheben zu lassen. Ein Bagger war tuckernd in Aktion, buddelte mächtig und hatte schon zahlreiche Erdhaufen aufgeworfen.
Was für ein Irrtum! Es handelte sich um archäologische Erkundungsgrabungen des Landesamts für Denkmalpflege im Zusammenhang mit dem geplanten neuen Stadtteil Dietenbach. Denn das Amt hielt es aufgrund von Hinweisen aus Begehungen mit Metalldetektoren im Vorfeld für möglich, dass man in verschiedenen Parzellen des westlichen Teils des Geländes auf frühzeitliche Funde stoßen könnte. Es hat diese Aktion angeordnet, um gegebenfalls zu retten, was ...
zu retten ist, bevor das geplante Baugebiet von riesigen Maschinen und Fahrzeugen okkupiert und platt gemacht wird oder bei überraschenden Funden ein vorübergehender und kostenintensiver Baustopp erlassen werden müsste.
Mit einem kleinen Bagger wurde dazu an ausgewählten Stellen punktuell die oberste etwa 50-100 cm dicke Erdschicht bis auf die nacheiszeitlichen Kies-, Sand- und Schotterflächen des Schwemmgebietes der Dreisam abgetragen und von ausgewiesenen Archäologen auf Spuren untersucht. Nicht zu erwarten war, dass man auf eine historische Latrine stößt, denn dort wäre – wie man aus der Kernstadt Freiburg weiß – die archäologische Ausbeute am ergiebigsten. Dies ist kein Latrinengerücht: mit etwas Glück kann man nämlich dort Knochen, Fragmente von Werkzeugen oder Gefäßen, Abfall und Essensreste finden, die Aufschluss über die Lebensweise ehemaliger Bewohner und deren Kultur geben können. Die Suche im Dietenbach-Gelände gilt allerdings nicht mittelalterlichen Funden, sondern Spuren der Römer und Alemannen, also der Frühgeschichte.
Wer hofft, im Dietenbach-Gelände könnte die Archäologie Grundmauern einer Villa Rustica (römischer Gutshof) aus dem 1.-3. Jahrhundert finden, die den Plan der Stadt, hier einen Megastadtteil zu errichten, erst einmal ausbremsen würde, wird wohl am Ende des Tages eine herbe Enttäuschung erleben. Die Grabungen gehen zwar im neuen Jahr weiter, aber die Erwartungen der Archäologen sind eher gedämpft.
Wie sagte der Baggerfahrer zu mir: „Diejenigen, die ‚Dietenbach retten‘ wollen, werden hier keine hilfreichen Argumente finden.“
Marcel Elkassem, der Gebietsreferent und verantwortliche Archäologe für das Dietenbach-Gebiet, beantwortete meine Fragen abschließend wie folgt: „Aufgrund der derzeitigen Funde sind keine archäologischen Ausgrabungen nötig, die geringe Funddichte rechtfertige dies nicht. Eigentlich hatte das Amt mehr erwartet.“
Die einzige menschengemachte Hinterlassenschaft, die mir bei meinem Rundgang über das Gelände begegnete und meinen Unmut erregte: eine aus dem „Plastozän“ stammende Plastikflasche, einfach auf den Acker geworfen.
Heiner Sigel