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Sehr geehrte Damen und Herrn,
hier eine Antwort eines Quartiersarbeiters, der seit über 20 Jahren im Rieselfeld arbeitet auf das Gutachten über die zukünftige Konzeption der Quartiersarbeit in Freiburg
Ausgangslage: Ziel war eine Untersuchung von con_sens, gemeinsam mit den Akteuren ein quartiersbezogenes Leistungsprofil zu entwickeln.
Als großer Wurf wurde nun die „Rekommunalisierung“ der Quartierarbeit präsentiert, jedoch unterfüttert mit fachlich falschen Argumenten.
Als ein Hauptkritikpunkt wird immer wieder der „Wildwuchs“ der Träger in den Quartieren genannt.
Gemeinwesenarbeit richtet sich ganzheitlich auf die Lebenszusammenhänge von Menschen. Ziel ist die Verbesserung von materiellen (z. B. Wohnraum, Existenzsicherung), infrastrukturellen (z. B. Verkehrsanbindung, Einkaufsmöglichkeiten, Grünflächen) und immateriellen (z. B. Qualität sozialer Beziehungen, Partizipation, Kultur) Bedingungen unter maßgeblicher Einbeziehung der Betroffenen. GWA integriert die Bearbeitung individueller und struktureller Aspekte in sozialräumlicher Perspektive. (Gemeinwesenarbeit als Konzept Sozialer Arbeit, Sabine Stövesand, Christian Stoik; 2012)
Die Menschen im Quartier sind für die Quartiersarbeit die wichtigste Ressource (übrigens auch für die Verwaltung und die Politik). Mit Ressourcen sind alle Hilfsmöglichkeiten gemeint, die zur Lebensbewältigung eines Einzelnen, einer Gruppe/Familie, eines Gemeinwesens mobilisiert werden und die Handlungsmöglichkeiten der Menschen erweitern.
Im Mittelpunkt der ressourcenorientierten Arbeit steht die Frage, welche Ressourcen eine Person benötigt, um mit belastenden Situationen umzugehen. Gefragt ist also beispielsweise nicht, was krank macht, sondern was hilft, gesund zu bleiben und eine stabile Lebensführung zu praktizieren. Diese Gedankengänge sind mühelos auf das Gemeinwesen zu übertragen.
Vorhandene Potentiale des Stadtteils werden genutzt, aktiviert und gefördert, angefangen bei den persönlichen Ressourcen (einzelner Menschen) über soziale Ressourcen von mehreren Menschen in Beziehungsnetzen und materielle Ressourcen wie Räume und Geld bis hin zu infrastrukturellen Ressourcen (Organisationen, Dienste, Verwaltung, Wirtschaft, Politik, Verkehr, etc.).
(Auszug aus Standards der Quartiersarbeit in Freiburg, Dez. 2015)
Mit der Kommunalisierung ist dieses Arbeiten gefährdet und wird langfristig zu einer Abnahme des Engagements führen.
Für eine gute Kooperation sind klare Zuständigkeiten bei der Stadtverwaltung sowie verlässliche Kommunikationsstrukturen zwischen Quartiersarbeit und Stadtverwaltung mit definierten AnsprechpartnerInnen nötig.
Die Quartiersarbeit ist Ansprechpartnerin für die Stadtverwaltung zu Themen im Stadtteil, die von BürgerInnen oder Politik an dieStadtverwaltung herangetragen werden.
In den Stadtteilen sollte jeweils ein Jour Fixe mit Quartiersarbeit, den beteiligten städtischen Ämtern und Wohnungsunternehmen zum regelmäßigen Austausch und für Absprachen eingerichtet werden.
Redaktionsgruppe FrAG, 10.12.2015
Die Quartiersprojekte haben in den letzten 10-12 Jahren dreimal mit städtischen VertreterInnen immer wieder Anläufe unternommen Qualitätstandards zu entwickeln und Strukturen innerhalb der Verwaltung (Ausbau der Quartiersmanagementstelle) aufzubauen. Dies ist immer wieder versandet. Im Herbst 2015 hat dann die FrAG (Freiburger Arbeitskreis Gemeinwesenarbeit) in Eigenregie diesen Prozess vollendet (auf den sich jetzt auch die Gutachter beziehen).
„Die Funktionsebene der Gemeinwesenarbeit ist als Bestandteil integrierter Stadtteilentwicklungsstrategien so bedeutsam, weil gerade diese als antizyklische Korrekturbewegung dafür sorgt, dass nicht allein ein für das Quartier erlassener
Top-down-Programmkatalog bestimmt, was vor Ort diskutiert werden kann und was nicht thematisiert wird. Der spezifische Wert der GWA auf Stadtteilebene liegt darin, dass sie gegenüber kommunaler Politik und Verwaltung auch eine
der Administration fremde Logik repräsentiert. Mithilfe von Bewohnerversammlungen, Hinterhofgesprächen, Hausbesuchen, aktivierenden Befragungen, Info- Ständen, Arbeitsgruppen, Wochenmarktaktionen, Treppenhausmeetings, Stadtteilfesten
Soziale Arbeit und Stadtentwicklung. Forschungsperspektiven, Handlungsfelder, Herausforderungen, 2. Auflage 2016
Mit diesem Zitat möchte ich als langjähriger Freiburger Quartiersarbeiter und als ein Sprecher der FrAG die Verantwortlichen bitten, den Beteiligungs- und Mitwirkungsprozess ernst zu nehmen, ihm eine Chance zu geben und das Erreichte nicht zu zerschlagen.
Mit freundlichen Grüßen
Clemens Back
siehe auch Quartiersarbeit