Ich muss gestehen, ich mache mir Sorgen. Um das schöne, grüne Rieselfeld, meine neue Heimat. Aber auch um Freiburg, Deutschland und die Welt an sich. Eigentlich sogar um die Menschheit. Konkreter Anlass: Ich war gestern auf der Bürgerinfoveranstaltung zum Thema Bahntrasse entlang der A5 (Planfeststellungsabschnitt 8.2). Ich dachte ja, die Trasse ist weit weg vom Rieselfeld, der Wald wird das schon abdämpfen. Aber seit gestern bin ich nicht mehr so optimistisch ...
Also, die Bahn hat sich wirklich reingekniet und eine Menge aufgeboten: Hochglanzbroschüren, Videosimulation auf Großleinwand, Expertenpanel auf der Bühne, Kummerkasten mit hübsch altmodischen Papierbriefen, Lärmvergleichstest auf dem PC, Präsentationen mit Fakten und Trost-Lärmschutzwällen inklusive Heftpflaster für die Dreisam. Aber mein Eindruck war und blieb: Was für eine gigantischer Naturfraß. Alles wirkt so clean, und ist ...
doch so brutal.
Allein während der Bauzeit von drei bis sieben (!) Jahren werden wir viel Dreck und Lärm schlucken müssen. Und ja, der Mooswald ist unser Schutzwall, aber ein großer Teil davon wird fallen, für die neue Trasse. Und für die Logistik beim Bau. Wir werden zeitweise keinen Autobahnanschluss haben, oder nur einen mit Umweg. Vorbei die abendliche Idylle beim Radeln zum Baden am Opfinger See, denn die kleine Unterführung wird auch vergrößert und damit zeitweise gesperrt. Der Mundenhof bekommt eine Lärmschutzwand spendiert, aber auch einen Teil seiner Wiesen abgenommen. Und der Knüller: Von Mundenhof bis Opfinger See gibt es – keinen Lärmschutz!
Aber das alles ist es nicht, was mir Sorgen macht. Sicher alles unangenehm, viele Jahre wird es Probleme geben und Umwege und Unbequemlichkeiten. Mir macht nur Angst, wie wir mit der Natur umgehen: Bäume weg, die stören uns gerade, pflanzen wir halt neue. Es dauert aber Jahre, bis solche Lebewesen zu einer gewissen Größe und Schönheit heranwachsen. Geschützte Tiere? Es wird eine Grünbrücke gebaut, aber wer sagt den Tieren, dass sie die benutzen sollen? Und der Fledermauskorridor, der begleitend zur Opfinger Straße die A5 überquert? Da musste ich fast schon grinsen. Oder eher bitter lächeln.
Sorgen macht mir der Gedanke, der dahintersteckt: Wir Menschen haben die Macht, also machen wir. Brauchen wir, machen wir. Doch es wird halt immer weniger, was noch bleibt: weniger Fläche, weniger Natur, und weniger Luft zum Atmen für alle. Meine bange Frage: Wann wird das Netz so löchrig, dass es reißt und sich nicht mehr flicken lässt? Wann ist eine Stadt zwar wirtschaftlich und effizient, aber nicht mehr lebenswert?
Ja, die neue Bahntrasse ist sicher nötig und wird vielleicht weniger Autobahnverkehr bringen. Und ja, die zukünftigen Bewohner des Dietenbachgeländes haben genauso wie wir ein Recht auf eine Wohnung. Aber mit dem gleichen Totschlags-Argument kann ja jeder sagen: Ich brauche das halt, also mache ich es. Und wo bleibt dann die Lebensqualität für alle?
Foto: Corinna Spellerberg